Döblinger Dirndl, traditionelle Weinhauertrachten und die Wiener Wäschermädel
Die ehemaligen Wiener Vororte Döbling, Grinzing und Sievering zählen heute alle zum 19. Wiener Gemeindebezirk und grenzen an den Rand des Wienerwaldes. Der heute als Stadtteil Döbling bekannte Bezirk ging 1892 aus den ehemaligen Wiener Vororten Unterdöbling, Oberdöbling, Grinzing, Heiligenstadt, Nussdorf, Josefsdorf, Sievering und dem Kahlenbergerdorf hervor und wurde 1938 um Neustift am Walde und Salmannsdorf erweitert, die zuvor zum 18. Bezirk (Währing) zählten. Bekannt ist der Bezirk unter anderem für seinen Weinbau und die damit verbundenen Heurigenlokale. Aus der räumlichen Nähe zum Weinbau resultiert die heutige Praxis des Trachtentragens beim Heurigen.
Schon Gemälde von Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865), einem österreichischen Maler der Biedermeierzeit, zeigen Dirndlträgerinnen im Raum Wien. Beispiele dafür sind unter anderem die Werke „Sitzendes Mädchen“ (um 1829) und „Die Ermahnung“ (1846). Die auf den Bildern dargestellten Szenen zeigen Trachten, die sich Sievering und Grinzing zuschreiben lassen.
Trachtenforscherinnen beschreiben raumbezogene Trachten und liefern detaillierte schriftliche Angaben dazu, wie Dirndl und Trachten in ehemaligen Wiener Vororten – bis 1892 – ausgesehen haben. Sie beschreiben detailliert die verwendeten Stoffe, deren Materialzusammensetzungen, Farben und Musterungen, sowie die Schnittführung und spezifische Verarbeitungstechniken. Modezeichnungen und Skizzen verdeutlichen die Angaben. Bei der Erforschung dieser Aufzeichnungen stieß ich auf Trachten, die sich räumlich Döbling zuschreiben lassen.
In Zusammenarbeit mit der Wiener Seidenweberei Otto Flemmich KG habe ich Stoffe nach historischen Originalvorlagen nachweben lassen, die Leinen-, Baumwollstoffe und Wollbrokate liefert die Tiroler Dirndlstoffweberei Stapf und der Bettzeugstoff der Wäschermädelröcke stammt aus der Mühlvierter Leinenweberei Vieböck.
Modelle der Döblinger Dirndl und Blusen finden Sie in meinem Onlineshop.
Festtracht Döbling
Für das Dirndloberteil dieser Festtracht wird hellgelbes Rehleder oder eine vegane Alternative, die auch waschbar ist, verwendet. Der Halsausschnitt, die Bogennähte im Rückenteil und die Knopfleiste in der vorderen Mitte sind mit sogenannten Zurkerln versehen, eine aus gefalteten Stoffstücken gebildete Zackenreihe. Der Dirndlrock ist aus kirschrotem Wollbrokat, die Schürze aus mittelblauer Seide mit Rankenmuster.
Als Quelle dieser Beschreibung dient das Bild «Bildnis einer alten Frau mit Ziege» (1832) von Johann Michael Neder (1807-1882).
Ein Modell des Döblinger Festtrachtsdirndls und eine passende Bluse finden Sie in meinem Onlineshop.
Herbsttracht Grinzing
Kennzeichnendes Merkmal dieser Tracht ist der sogenannte «Schnürlleib», dessen Namen sich von eine Verschnürung in der Vorderen Mitte des Oberteils herleitet. Mittels Pfriem wird in regelmäßigen Abständen das Gewebe so weit verdrängt, dass die entstandenen Löcher mit Knopflochstichen ausgenäht werden können, wobei diese Löcher nicht durch Stanzen (Gewebebruch) sondern lediglich durch Verdrängung entstehen. So kann gewährleistet werden, dass die ausgenähten Löcher den Strapazen der Verschnürung standhalten und nicht ausreißen. Für das Oberteil wird einfärbig braunes Leinen oder braunes Streumuster, für den Rock hell- bis mittelblau, gestreifte oder karierte Baumwolle und für die Schürze hell- bis mittelblaue einfärbige oder weißgrundige Baumwolle mit zartem Streifenmuster in rot/blau verwendet. Alternativ kann die Schürze auch schwarz sein.
Ein Modell des Grinzinger Herbsttrachtsdirndls und eine passende Bluse finden Sie in meinem Onlineshop.
Festtracht Grinzing
Die Grinzinger Festtracht entspricht von der Schnittführung her der Alltagstracht, unterscheidet sich von dieser aber durch die verwendeten Materialien. Für den Dirndlleib wird helblauer, kleingemusterter Seidenbrokat, für den Rock dunkelblauer Wollbrokat oder Firn verwendet, eine Wollwebe in Leinwandbindung, bei der der Kettfaden schwarz und der
Schussfaden färbig ist. Die Seidenschürze ist rosa/silber gestreift. Bei einer alternativ möglichen Farbkombination ist das Oberteil hellrot und kleingemustert, der Rock schwarz und die Schürze hellblau gestreift. Silberknöpfe zieren den asymmetrischen Verschluss. Festtrachten sind aufwändiger gearbeitet als Alltagstrachten und werden von einer sogenannten Auszier geschmückt. Diese kann eine Posamentriesilberborte oder eine zarte Stoffrüsche aus dem Material des Oberteils, Zurkerln oder eine schmale Seidenborte sein.
Ein Modell des Grinzinger Festtrachtsdirndls und eine passende Bluse finden Sie in meinem Onlineshop.
Festtracht Sievering
Die Schnittführung der Festtracht ist mit der der Alltagstracht identisch und unterscheidet sich nur in der Materialwahl. Für das Oberteil wird schwarzer Samt, schwarze Seide oder schwarzer Wollstoff verwendet, für den Rock dunkelgrüner Wollbrokat oder längsgemusterter Seidenbrokat und für die Schürze Flieder, zartlila gestreifte Seide oder weißes Leinen mit Stickerei und Säumchen. Ist das Dirndloberteil aus Samt gearbeitet, so gibt es eine verarbeitungstechnische Besonderheit, da die Kanten vom Halsausschnitt und den Armlöchern in diesem Fall nicht passepoiliert, sondern mit Futter verstürzt werden. Dies ist die einzige mir bekannte traditionell gefertigte Tracht, bei der auf die klassische Verarbeitung mit Passepoilen verzichtet wird.
Ein Modell des Sieveringer Festtrachtsdirndls und eine passende Bluse finden Sie in meinem Onlineshop.
Neustifter Dirndl
Im Frühjahr 2022 gab es mehrere Inputs, die zur Entstehung des Neustifter Dirndl führten. Zum einen wurde mir eine Grinzinger Herbsttracht, die nach der Vorlage von Hilde Lager-Seidl gefertigt wurde, zur Verfügung gestellt. Dies brachte mich auf die Idee die Alltags- und Festtrachten, die räumlich dem heutigen 19. Wiener Gemeindebezirk zugeordnet werden, nach den graphischen Vorlagen von Hilde-Lager Seidl anzufertigen. Zum anderen führte ich im Rahmen meines Studiums eine Forschung zum Bekleidungsverhalten und der Bekleidungszuschreibung der Weinhauer und ihrer Gästen in Heurigenlokalen in Neustift am Walde durch. Im Rahmen diese Forschungsprojektes entstand die Idee, ein Dirndl, das sich räumlich in Neustift am Walde verorteten, zu entwickeln. Diese Zugänge waren die Grundlage aus vorhandenen Dirndlvorlagen Döblings, Gesprächen mit Weinhauern, handwerkliches Geschick und eigene Kreativität ein eigenes «Neustifter Dirndl» entstehen zu lassen, das sowohl von den Weinhauern als auch von ihren Gästen als raumspezifisch für Neustift am Walde wahrgenommen wird.
Für den Dirndlleib wird grünes Leinen oder Halbleinen verwendet. In der vorderen Mitte befindet sich ein verdeckter Verschluss mit kleinen Hafterl. Der Ausschnitt des Dirndlleibes ist eckig, im Rückenteil gibt es zwei Bogennähte. Armlöcher und Halsausschnitt werden in grünem Leinen passepoiliert. Der Rock wird aus rotem Baumwollsatinmit Streumuster gefertigt und ist mit einem schwarzen Kittelblech abgeschlossen.
Die Schürze ist blau und ungemustert, was die für alle Weinhauertrachten übliche Farbe des «Arbeitsfürtas» (Vortuch) ist und ist symbolisch für den Weinbau in Neustift am Walde mit einer Weinrebe bestickt.
Ein Modell des Neustifter Dirndls und eine passende Bluse finden Sie in meinem Onlineshop.
Weinhauertracht
In den mir vorliegenden Quellen wird ein lichtblauer Spencer beschrieben, der innen weiß ist, fünf Doppelknopfreihen, einen kleinen, spitzen Kragen, links und rechts zwei eingeschnittene Taschen und lange Ärmel hat. Im Winter trug der Hauer statt des „Spenzers“ den „Kalmuck“, einen braun-schwarz karierten Janker aus Baumwolle mit drei Doppelknopfreihen. Auch Kalmuck-Janker in rot-schwarz oder grün-schwarz Karo sind möglich.
Wiener Wäschermädel
Zum Unterschied von Adel und Großbürgertum besaßen kleinbürgerliche Kreise nicht genügend Personal für die Wäschepflege. So entwickelte sich im Barock der Stand der Wäscherinnen. Die Wäsche wurde außer Haus gegeben, vom Wäschermädel jeden Samstag abgeholt und wieder zugestellt. Weiches Wasser, das zum Waschen der Wäsche besonders gut geeignet ist, gab es an den Ufern und am Zusammenfluss des Währingerbaches und der Als. Den Wäschermädel wurde trotz schwerer Arbeit und karger Entlohnung Fröhlichkeit nachgesagt. Für die Liefertour in die Stadt machten sie sich schön, und nach getaner Arbeit wurde getanzt, gestampft, gepatscht und gesungen. So auch im heute noch in Neustift am Walde ansässigen Kronenstüber der Familie Eischer, in dem Hans Larwin (1873-1938) die „Wambacher“ Schwestern malte. Modelle der Wiener Wäschermädel finden Sie in meinem Onlineshop